Haftung im Betriebsrat – Wie groß ist das Risiko wirklich?
Das Engagement im Betriebsrat ist für viele eine Herzensangelegenheit – doch mit dem Ehrenamt kommt auch Verantwortung. Immer wieder taucht in der Praxis eine besorgte Frage auf: Haften wir als Betriebsräte persönlich für unsere Entscheidungen? Die Antwort darauf ist nicht so eindeutig, wie viele es sich wünschen würden. Denn obwohl das Betriebsratsamt gewisse Schutzmechanismen mit sich bringt, kann es unter bestimmten Umständen durchaus zu einer persönlichen Haftung kommen.
Ehrenamt mit Verantwortung
Zunächst das Wichtigste vorweg: Das Betriebsratsamt ist gesetzlich als Ehrenamt ausgestaltet. Das bedeutet, dass Betriebsratsmitglieder für ihre Tätigkeit weder gesondert vergütet werden noch per se wie Führungskräfte für Fehlentscheidungen haften. Doch dieses Ehrenamt schützt nicht grenzenlos. Wer grob fahrlässig oder gar vorsätzlich gegen rechtliche Pflichten verstößt, kann in die persönliche Haftung geraten.
Ein klassisches Beispiel: Ein Betriebsratsvorsitzender beauftragt eigenmächtig – also ohne vorherigen Beschluss des Gremiums – ein teures Beratungsunternehmen. Stellt sich später heraus, dass die Beauftragung weder erforderlich noch abgestimmt war, droht eine Haftung für die Kosten. Das klingt drastisch, ist aber in der Rechtsprechung mittlerweile anerkannt.
Die Rolle der Erforderlichkeit
Das Betriebsverfassungsgesetz (§ 40 Abs. 1 BetrVG) verpflichtet den Arbeitgeber, die für die Betriebsratsarbeit „erforderlichen Kosten“ zu tragen. Dieses Wörtchen „erforderlich“ ist in vielen Haftungsfragen der Dreh- und Angelpunkt. Denn nur, wenn eine Maßnahme objektiv notwendig war – etwa die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts oder eines Sachverständigen – besteht ein Anspruch auf Kostenerstattung. Fehlt die Erforderlichkeit, kann der Vertrag mit dem Dritten (z. B. dem Berater) unwirksam sein. Die Folge: Der Dritte kann sich an das Betriebsratsmitglied persönlich halten.
Die gute Nachricht: Gerichte erkennen an, dass Betriebsräten ein Ermessensspielraum bei der Einschätzung der Erforderlichkeit zusteht. Es wird also nicht im Nachhinein nach dem Maßstab absoluter Korrektheit geurteilt. Entscheidend ist vielmehr, ob die Entscheidung zum Zeitpunkt ihres Treffens nachvollziehbar war.
Persönliche Haftung: Ausnahme, nicht Regel
Trotz aller theoretischen Risiken ist die persönliche Haftung eines Betriebsratsmitglieds in der Praxis selten. Voraussetzung ist regelmäßig ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten – einfache Fehler oder Missverständnisse reichen nicht aus. Wer sich an die Spielregeln hält, sauber dokumentiert, keine Alleingänge unternimmt und im Zweifel rechtlichen Rat einholt, ist auf der sicheren Seite.
Gerade die Angst, für alles haften zu müssen, ist unbegründet und wird leider manchmal von Arbeitgeberseite als Einschüchterungsmittel eingesetzt. Eine solche Drohung kann im Übrigen selbst unzulässig sein und den Tatbestand der Behinderung der Betriebsratsarbeit erfüllen (§ 78 BetrVG).
Datenschutz: Ein wachsendes Feld der Verantwortung
Besondere Aufmerksamkeit verdienen auch datenschutzrechtliche Fragen. Seit Inkrafttreten der DSGVO geraten Betriebsräte zunehmend in den Fokus, wenn es um den Umgang mit sensiblen Mitarbeiterdaten geht. Zwar ist in vielen Fällen rechtlich klargestellt, dass der Arbeitgeber als Verantwortlicher gilt (§ 79a BetrVG), doch auch hier gilt: Wer grob gegen Datenschutzregeln verstößt, riskiert rechtliche Konsequenzen – auch persönlich. Ein Fall, bei dem Gesundheitsdaten über einen ungesicherten Cloud-Dienst geteilt wurden, führte bis vor das Bundesarbeitsgericht.
Haftung vermeiden: Worauf Betriebsräte achten sollten
Um möglichen Haftungsrisiken wirksam vorzubeugen, lohnt es sich, ein paar Grundregeln im Blick zu behalten. Die folgenden Fragen helfen dabei, das eigene Handeln abzusichern:
- Wurde ein ordnungsgemäßer Beschluss im Gremium gefasst?
- Liegt die Maßnahme innerhalb des gesetzlichen Aufgabenbereichs des Betriebsrats?
- Ist die Handlung nachvollziehbar erforderlich, insbesondere bei kostenrelevanten Entscheidungen?
- Besteht eine Dokumentation über die Entscheidung und deren Grundlage?
- Wurde bei rechtlichen Zweifeln ein externer Rechtsrat eingeholt (nach Beschluss)?
- Gab es eine Absprache mit dem Arbeitgeber, sofern gesetzlich erforderlich (z. B. bei Sachverständigen nach § 80 Abs. 3 BetrVG)?
Diese Punkte ersetzen keine juristische Beratung im Einzelfall, aber sie helfen, typische Stolperfallen zu vermeiden.
Die persönliche Haftung im Betriebsrat ist kein Schreckgespenst – aber auch kein Märchen. Sie ist real, aber selten. Wer sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben bewegt, sich mit seinen Kolleginnen und Kollegen abstimmt und im Zweifel auf rechtliche Beratung zurückgreift, muss sich keine Sorgen machen.
Mein Tipp für die Praxis: Regelmäßige Schulungen, saubere Beschlussfassungen und eine gute Dokumentation sind die beste Versicherung gegen unliebsame Überraschungen.