Datenschutz im Bewerbungsgespräch: Welche Fragen dürfen gestellt werden und welche nicht?
Die Durchführung von Bewerbungsgesprächen stellt Arbeitgeber vor die Herausforderung, einerseits möglichst umfassende Informationen über potenzielle Mitarbeiter zu erhalten und andererseits die strengen Vorgaben des Datenschutzes und des Antidiskriminierungsrechts einzuhalten. Der rechtliche Rahmen wird dabei insbesondere durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) definiert. Darüber hinaus liefert die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) wichtige Leitlinien für die Praxis.
Rechtliche Grundlagen und Prinzipien
Datenschutzrechtliche Vorgaben
Die DSGVO und das BDSG setzen hohe Maßstäbe für den Umgang mit personenbezogenen Daten. Grundprinzipien wie Zweckbindung, Datenminimierung und Transparenz sind zwingend zu beachten (Art. 5 DSGVO). Im Bewerbungsverfahren dürfen nur solche Daten erhoben und verarbeitet werden, die für die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind (§ 26 Abs. 1 BDSG). Jede darüber hinausgehende Datenerhebung bedarf einer ausdrücklichen Einwilligung des Bewerbers.
Antidiskriminierungsrechtliche Vorgaben
Das AGG verbietet die Benachteiligung von Personen aus Gründen der Rasse, ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität (§ 1 AGG). Fragen, die auf diese Merkmale abzielen, sind unzulässig und können Schadensersatzansprüche nach sich ziehen (§ 15 AGG).
Zulässige Fragen im Bewerbungsgespräch
Fragen, die einen direkten Bezug zur fachlichen Eignung des Bewerbers für die ausgeschriebene Stelle haben, sind grundsätzlich zulässig. Dazu gehören:
- Berufliche Qualifikationen: Informationen über Ausbildung, Studienabschlüsse, Berufserfahrung und erworbene Fachkenntnisse.
- Fähigkeiten und Kompetenzen: Nachweis von Sprachkenntnissen, IT-Kompetenzen oder spezifischen Zertifikaten, die für die Stelle relevant sind.
- Arbeitszeitliche Verfügbarkeit: Bereitschaft zu Schichtarbeit, Wochenenddiensten oder flexiblem Arbeitseinsatz, sofern dies für die Stelle erforderlich ist.
- Reisebereitschaft und Mobilität: Notwendigkeit von Dienstreisen oder Umzugsbereitschaft bei Stellen mit entsprechendem Anforderungsprofil.
- Erforderliche Genehmigungen: Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis oder anderer notwendiger Lizenzen.
Unzulässige Fragen und deren rechtliche Bewertung
Familienstand und Schwangerschaft
Fragen nach dem Familienstand, einer bestehenden Schwangerschaft oder der Familienplanung sind unzulässig. Das BAG hat klargestellt, dass die Frage nach einer Schwangerschaft eine Diskriminierung wegen des Geschlechts darstellt (BAG, Urteil vom 6. Februar 2003, Az.: 2 AZR 621/01). Eine solche Frage verletzt das AGG und die Privatsphäre der Bewerberin.
Religion und Weltanschauung
Fragen zu religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen sind grundsätzlich unzulässig, es sei denn, sie sind für die Tätigkeit in einer Religionsgemeinschaft oder einer ihr zugeordneten Einrichtung von wesentlicher Bedeutung (§ 9 AGG). In solchen Fällen kann die Religionszugehörigkeit ein legitimes Einstellungskriterium sein.
Politische Einstellung
Die Erkundigung nach der politischen Gesinnung oder Parteizugehörigkeit des Bewerbers ist unzulässig. Eine Ausnahme kann bestehen, wenn die politische Überzeugung für die Tätigkeit von entscheidender Bedeutung ist, etwa bei Tätigkeiten in politischen Parteien oder bestimmten öffentlichen Ämtern.
Gesundheitszustand
Allgemeine Fragen zum Gesundheitszustand oder zu bestehenden Krankheiten sind unzulässig, sofern sie nicht die Eignung für die spezifische Tätigkeit betreffen. Das BAG hat entschieden, dass nur solche gesundheitlichen Einschränkungen erfragt werden dürfen, die die Arbeitsfähigkeit unmittelbar beeinflussen (BAG, Urteil vom 7. Juni 1984, Az.: 2 AZR 270/83).
Behinderung
Fragen nach einer Behinderung sind grundsätzlich unzulässig und können eine Diskriminierung aufgrund einer Behinderung darstellen (§ 7 AGG). Eine Ausnahme besteht, wenn die Behinderung die Arbeitsfähigkeit für die spezifische Stelle beeinträchtigt.
Sexuelle Orientierung und Identität
Fragen zur sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität sind strikt unzulässig und können als Diskriminierung gemäß § 1 AGG geahndet werden.
Vorstrafen
Die Erkundigung nach Vorstrafen ist nur dann zulässig, wenn die Art der Straftat einen unmittelbaren Bezug zur angestrebten Tätigkeit hat. Das BAG hat klargestellt, dass der Arbeitgeber nur nach solchen Vorstrafen fragen darf, die für die Tätigkeit relevant sind (BAG, Urteil vom 20. Mai 1999, Az.: 2 AZR 320/98). Beispielsweise sind bei einer Tätigkeit im Sicherheitsbereich oder im Umgang mit finanziellen Werten entsprechende Nachfragen gerechtfertigt.
Recht auf Lüge und Konsequenzen unzulässiger Fragen
Bei unzulässigen Fragen steht dem Bewerber das sogenannte “Recht zur Lüge” zu. Eine unwahre Beantwortung solcher Fragen darf keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen haben und berechtigt den Arbeitgeber nicht zur Anfechtung oder Kündigung des Arbeitsvertrages. Dies wurde durch die Rechtsprechung bestätigt (BAG, Urteil vom 6. August 1998, Az.: 2 AZR 756/97). Der Bewerber kann die Beantwortung auch verweigern, ohne negative Folgen befürchten zu müssen.
Datenschutzrechtliche Pflichten des Arbeitgebers
Informationspflichten
Gemäß Art. 13 DSGVO ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Bewerber über die Erhebung und Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten zu informieren. Dies umfasst Informationen über den Zweck der Datenverarbeitung, die Rechtsgrundlage, die Empfänger der Daten und die Dauer der Speicherung.
Einwilligung und Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung
Die Verarbeitung personenbezogener Daten im Bewerbungsverfahren erfolgt in der Regel auf Grundlage von § 26 Abs. 1 BDSG. Für besondere Kategorien personenbezogener Daten, wie Gesundheitsdaten, ist eine ausdrückliche Einwilligung des Bewerbers erforderlich (Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO).
Datensicherheit und Vertraulichkeit
Der Arbeitgeber muss geeignete technische und organisatorische Maßnahmen treffen, um die Sicherheit der Bewerberdaten zu gewährleisten (Art. 32 DSGVO). Dies beinhaltet den Schutz vor unbefugtem Zugriff, Verlust oder Zerstörung der Daten.
Speicherung und Löschung
Personenbezogene Daten von Bewerbern dürfen nur so lange gespeichert werden, wie sie für das Bewerbungsverfahren erforderlich sind. Nach Abschluss des Verfahrens sind die Daten zu löschen oder zurückzugeben, es sei denn, der Bewerber hat einer längeren Speicherung zugestimmt. Eine Aufbewahrung der Daten über einen Zeitraum von sechs Monaten kann gerechtfertigt sein, um sich gegen mögliche Ansprüche nach dem AGG zu verteidigen.
Folgen von Datenschutzverstößen
Verstöße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen können erhebliche rechtliche Konsequenzen haben:
- Bußgelder: Gemäß Art. 83 DSGVO können bei Verstößen Bußgelder von bis zu 20 Millionen Euro oder 4 % des weltweiten Jahresumsatzes verhängt werden.
- Schadensersatzansprüche: Betroffene Bewerber können Schadensersatzansprüche geltend machen (Art. 82 DSGVO).
- Imageverlust: Öffentlich bekannt gewordene Verstöße können das Ansehen des Unternehmens nachhaltig schädigen.
Empfehlungen für die Praxis
Für Arbeitgeber
- Schulung: Personalverantwortliche sollten regelmäßig zu datenschutzrechtlichen und antidiskriminierungsrechtlichen Themen geschult werden.
- Standardisierung: Entwicklung standardisierter Fragebögen und Leitfäden für Bewerbungsgespräche, die rechtlich überprüft sind.
- Transparenz: Klare Kommunikation der Datenschutzrichtlinien gegenüber Bewerbern.
- Dokumentation: Sorgfältige Dokumentation der Einwilligungen und der erhobenen Daten.
Für Bewerber
- Rechte kennen: Bewusstsein über die eigenen datenschutzrechtlichen und antidiskriminierungsrechtlichen Rechte.
- Selbstbewusst auftreten: Unzulässige Fragen höflich zurückweisen oder gegebenenfalls das Recht zur Lüge nutzen.
- Dokumentation: Unzulässige Fragen und Gesprächsverläufe notieren, um bei Bedarf rechtliche Schritte einleiten zu können.
Aktuelle Entwicklungen und Rechtsprechung
Die Rechtsprechung entwickelt sich kontinuierlich weiter und passt sich den gesellschaftlichen Veränderungen an. Aktuelle Urteile betonen zunehmend die Bedeutung des Datenschutzes im Bewerbungsverfahren. Beispielsweise hat das BAG in jüngerer Zeit die Anforderungen an die Einwilligung zur Datenverarbeitung im Beschäftigungsverhältnis konkretisiert.
Der Datenschutz im Bewerbungsgespräch stellt hohe Anforderungen an Arbeitgeber und erfordert ein sensibles Vorgehen, das die Rechte der Bewerber respektiert. Unzulässige Fragen können nicht nur rechtliche Konsequenzen haben, sondern auch das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer von Beginn an belasten. Ein rechtskonformes und respektvolles Bewerbungsverfahren ist daher im Interesse beider Parteien und trägt zu einer positiven Unternehmensreputation bei.